Regina Brodersen erzählt von ihren Erfolgen und Schwierigkeiten bei ihren Aus- und Rückwanderungen.
Was hat Sie zur ersten Auswanderung nach Kanada bewogen?
"Im Jahr 2003 war ich eine 41-jährige alleinerziehende Mutter von zwei Adoptivkindern und auf Jobsuche. Zunächst ohne Erfolg, denn in meinem Lebenslauf sind Alter, Familienstand und Anzahl Kinder vermerkt. Dann kommt der Durchbruch mit einer nordamerikanischen Bewerbung: ohne Altersangabe oder andere persönliche Daten, sondern mit Angabe der Berufsausbildung und -erfahrung. Es kommt das Angebot einer befristeten Mutterschutzvertretung, im kanadischen Konsulat in München. Aha, denke ich, vielleicht sollte ich nach Kanada auswandern. Also stellte ich den Antrag und im Mai 2006 ging's dann nach Victoria, British Columbia. Zwei Kinder (4 und 6 Jahre alt), 30 Umzugskisten und ganz viel Mut. Innerhalb der nächsten Monate hatte ich Wohnung, Arbeit, Kita gefunden."
Haben Sie Deutschland doch so stark vermisst, dass es Sie zurückzog?
"Es lief gut in Kanada. Im Oktober 2020 war ich Personalmanagerin einer US-amerikanischen Firma, zuständig für alle kanadischen Niederlassungen. Wegen Corona lief die Arbeit von zuhause. Meine Tochter war ausgezogen, sie studiert. Ich war von meinem langjährigen Partner getrennt, mein Sohn hatte das Abitur geschafft.
Alles lief gut, aber dennoch hatte ich Lust auf was Neues. Da erfahre ich, dass meine Firma eine:n Personalmanager:in für die europäischen Niederlassungen sucht. Ich bewerbe mich und bekomme den Job. Ziel: München, obwohl es dort kein Büro gibt, aber ich betreue ja die Vertretungen überall in Europa."
Wie erlebten Sie Ihre Rückkehr nach Deutschland?
"April 2021, München: Meldestelle, Wohnungssuche. Und dann das Drama: ich hatte schon im Januar einen Antrag bei einer gesetzlichen Krankenversicherung gestellt, und erst jetzt bekomme ich Bescheid, dass ich zunächst in meine alte (ebenfalls gesetzliche) Krankenkasse zurückkehren muss. Erst danach darf ich wechseln. Meine ehemalige Krankenkasse konnte nicht mehr belegen (Aktenauslagerung), dass ich dort versichert gewesen war (immerhin über 20 Jahre). Erst die Rentenversicherung gibt letztendlich diese Bestätigung.
Der nächste Schock: Ich liege mit meinem Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze, muss in eine private Krankenkasse. Ich war immer gesetzlich versichert, auch freiwillig. Es heißt, ich könnte nicht zurück in die Krankenkasse, weil ich Deutschland freiwillig verlassen hatte, ohne Job. Eine Privatversicherung für eine fast 60-Jährige, das geht doch nicht. Ich erkundigte mich dennoch bei einer privaten Krankenkasse... und dann: es gibt die Menschen, die sich einsetzen... Die Sachbearbeiterin meinte, ich solle nicht aufgeben.
Ich fand auch in meiner alten Krankenkasse jemanden, der bereit war, zu helfen. Nachdem die Rechtsabteilung der Krankenkasse eine Überprüfung vorgenommen hat, kann ich endlich versichert werden!
Doch es gab einen Moment, in dem ich am liebsten umgekehrt wäre, im nächsten Flieger nach Kanada. Deutschland kam mir fremd und gleichzeitig vertraut vor. Irgendwie fehlten 15 Jahre. Außerdem war ja noch Corona. Ausnahmezustand.
Vor Kanada damals musste ich jeden Pfennig umdrehen, wohnte in einer 2-Zimmer-Wohnung, die Kinder im Schlafzimmer, ich im Wohnzimmer. Nun hatte ich ein tolles Gehalt, eine schöne Wohnung, konnte mit Freunden Essen gehen, reisen, alles kein Problem.
Und dennoch: mein Job machte mir keinen Spaß, meine Kinder waren 9 Stunden Flug entfernt, der Stress mit dem Fliegen während Corona war groß. Irgendwie passte alles nicht. Irgendwann kam ich an den Punkt, nach über 9 Jahren in der Firma zu kündigen, ich wollte nach Kanada zurück, in die Nähe meiner Kinder. Meine Kinder jubelten, meine Mutter und meine Freunde in Deutschland waren traurig.
Ich entschloss mich, in meine Eigentumswohnung in Victoria zu ziehen und startete bereits von Deutschland aus meine Jobsuche.
Zurück in Kanada, waren die Formalitäten schnell erledigt. Doch einen Job zu finden hat dann doch Monate gedauert. Das war dann mal wieder stressig, es gab Tage, da schaffte ich es nicht, auf die Straße zu gehen. Aber irgendwie habe ich mich immer wieder "aufgerappelt". Wandern hat geholfen.
Gefühlsmäßig war es aber richtig, und ich bin froh, wieder hier zu sein. Die Menschen hier sind entspannter, auch toleranter, zumindest hier in Victoria, alles ist ein bisschen freundlicher. Ich musste mich erst wieder daran gewöhnen, dass Menschen einen anlächeln auf der Straße, einfach so.
Welchen Tipp können Sie denen geben, die nach Deutschland zurückkehren möchten?
"Ich rate, alles vorher zu checken. Ich hatte gedacht, dass ich alles im Griff habe, aber aus der Entfernung bekommt man nicht immer alle Antworten. Das Wichtigste: Krankenversicherung.... checken, wo man im Krankheitsfall besser versorgt ist. Auch die Wohnungssuche war nicht einfach, man muss sehr viel Privates mitteilen, um eine Wohnung zu bekommen, das ist mir fremd."
Werden Sie in Kanada bleiben?
Ich weiß nicht, wo meine Zukunft liegt. In Deutschland würde ich in München wohnen wollen, kann es mir aber als zukünftige Rentnerin nicht leisten. Hier in Kanada habe ich die Eigentumswohnung. Aber ich bin, wie meine Freunde sagen, ein Rolling Stone. Der Begriff Heimat hat keine Bedeutung für mich. Ich versuche mein Leben interessant zu gestalten mit Familie, Freunden, Lesen, Wandern, Reisen, immer versuchen, Spaß zu haben. Und das kann man überall.
Die Fragen für das Raphaelswerk stellte Uta Koch, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.