Erfahrungsbericht des GIZ Reintegrationsscouts im Netzwerk des Raphaelswerk e.V.
Einige Menschen, die nach Deutschland migriert sind, zieht es irgendwann wieder zurück in ihre Heimat. Andere müssen Deutschland verlassen, weil sie keinen Aufenthaltsstatus haben. Doch eine Rückkehr ins Herkunftsland ist nicht immer einfach.
Seit 2017 wurden diese Menschen unter anderem von so genannten Reintegrationsscouts (RI-Scouts) der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt. Im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beauftragten GIZ-Programms "Migration für Entwicklung" (PME) schlugen sie eine Brücke zwischen der Beratung zur freiwilligen Rückkehr in Deutschland und den bestehenden Reintegrationsangeboten für Rückkehrende in den Herkunftsländern. Ende Juli 2023 läuft nun das Programm aus. Wir blicken zurück:
Kontakte zu Anlaufstellen in Partnerländern
Die Scouts unterstützten die Rückkehrberatungsstellen, indem sie Kontakte zu Anlaufstellen in den jeweiligen PME Partnerländern herstellten und fallbezogen zu Beschäftigungsperspektiven und Angeboten vor Ort informierten - etwa zu Existenzgründerberatungen oder Aus- und Weiterbildungen. Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes wurde auch psychosoziale Unterstützung bereitgestellt. Ebenso wurden noch vor der Rückkehr Video Calls zwischen Klient:innen und Mitarbeiter:innen der GIZ-Migrationsberatungszentren vor Ort , sogenannte Pre-departure Calls, angeboten. Auch kooperierten die Scouts mit ihren Partnern in Deutschland, wie zum Beispiel dem Raphaelswerk, um die Netzwerkarbeit in den jeweiligen Bundesländern voranzutreiben und das Beratungsangebot zu stärken. Des Weiteren konnten Klient:innen in Schulungen in Deutschland vermittelt werden, sogenannte reintegrationsvorbereitende Maßnahmen (RVMs) und rückkehrvorbereitende Maßnahmen (RkVMs). Durch diese Arbeit erhielten Klient:innen die Möglichkeit, die nächsten Schritte in die eigene Zukunft selbständig zu gestalten.
Im Kooperationszeitraum von 2017 bis 2023 wurden 169 Fallanfragen (Stand Juli 2023) an die für das Raphaelswerk zuständige RI-Scout vermittelt sowie diverse Erfahrungsaus¬tausche organisiert. Die Leistungen umfassten Angebote zu beruflicher Reintegration wie z.B. Existenzgründungen, Trainings, Ausbildungen sowie die Bereitstellung von Sachleistungen. Des Weiteren wurde zur schulischen Reintegration von Kindern, zu Wohnraum oder psychosozialer Unterstützung beraten.
Rückkehrberater:innen konnten sich über ein Kontaktformular, per E-Mail oder telefonisch mit einer Anfrage an die Scouts wenden. Dies wurde flexibel gehandhabt, um die Kontaktaufnahme möglichst niedrigschwellig zu gestalten. Der oder die Scout bearbeitete die Anfrage und trug sie in das CMT-System (ein internes Computer System für die transnationale Begleitung) ein, dass eine CMT-Nummer generierte, die zu einem späteren Zeitpunkt in das persönliche Einladungsschreiben für die GIZ-Migrationsberatungszentren eingetragen wurde. Die GIZ-Mitarbeiter:innen in den PME-Partnerländern bearbeiteten dann die Anfrage. Innerhalb einer Woche wurde eine fallspezifische Rückmeldung an die Scouts vermittelt. Die Scouts schickten daraufhin ein Infopaket mit dem persönlichen Einladungsschreiben an die Rückkehrberater:innen. Auf Wunsch der Klient:innen konnte ein Pre-departure-Call zwischen Klient:innen, Rückkehrberater:innen, Scouts und GIZ-Berater:innen in den PME-Partnerländern organisiert und durchgeführt werden. Die Pre-departure Calls dienten dem ersten Kennenlernen von Klient:innen und GIZ-Berater:innen im Herkunftsland, dem Vertrauensaufbau und einer vorbereitenden Beratung. Unter anderem konnten bereits Businesspläne und zusätzliche Fragen besprochen werden.
Der Falleintrag in das CMT-System vereinfachte nicht nur die fallspezifische Kommunikation, sondern ermöglichte auch die transnationale Begleitung der Klient:innen. Das System erlaubte es, nicht nur die Wirksamkeit der Arbeit zu überprüfen, sondern Rückmeldungen zur Reintegration der Klient:innen an die Rückkehrberater:innen zurückzumelden.
Scouts schlossen Lücke
Da die Scouts mit den GIZ-Strukturen in den PME-Partnerländern vertraut waren, in einem eingespielten Team mit ihren Kolleg:innen in den Herkunftsländern arbeiteten und Zugang zum CMT-System hatten, schlossen sie die Lücke zwischen der Rückkehr¬beratung in Deutschland und den Angeboten und der Unterstützung im Herkunfts¬land. Die Kommunikation über die Scouts verhinderte zudem einen Bottleneck-Effekt und waren zeitschonend für alle Beteiligten. Sprachkenntnisse, ob Englisch oder Französisch, spielten eine wichtige Rolle in der zielorientierten Kommunikation.
Beispiele aus der Praxis
Um eine berufliche Reintegration im Herkunftsland zu ermöglichen, benötigen Rückkehrer:innen eine solide Basis. Ein Ratsuchender aus Ghana erzählte seinem Rückkehrberater in Deutschland, dass er sich Sorgen um seine Zukunft mache, da er in Ghana weder eine Unterkunft habe noch eine Berufsperspektive für sich sähe. Durch das GIZ-Migrationsberatungszentrum in Ghana (GEC) und den GIZ-Partner Assemblies of God Relief and Development Service (AG Care) wurde ihm eine Wohnung für ein Jahr finanziert. Nachdem das Wohnungsproblem für ihn gelöst war, sah er sich imstande, sich um seine berufliche Reintegration zu kümmern. Er wurde im GEC beraten und entschloss sich, den finanziellen Startup support von IOM zu nutzen, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zur Schweineaufzucht zu gründen. Eine weitere finanzielle Unterstützung des GEC ermöglichte ihm den Bau von Stallungen. Außerdem schloss er ein durch das GEC organisiertes Business Start Up Training erfolgreich ab. Sein Geschäft läuft gut und er freut sich sehr, dass seine Reintegration in Ghana gelungen ist.
Ein irakischer Klient hatte die ursprüngliche Idee, sich in seinem Heimatland mit einem Kauf- und Reparaturgeschäft für Mobiltelefone selbständig zu machen. Hierfür absolvierte er in Deutschland bei der RkVM Social Impact (SI) ein zweieinhalbwöchiges Online-Training über sein Handy. Während dieser Zeit erarbeitete er seine Geschäftsidee und entwarf einen Business Plan. Inhalte des Coachings waren unter an-derem Gründung, Wertversprechen, Kundensegmente, Vermarktung der Dienstleistungen und die Entwicklung des Geschäftsmodells. Nach seiner Rückkehr wurde er weiterhin von den Kolleg:innen des GIZ.Migrationsberatungszentrums im Irak (GMAC) beraten und begleitet. Aufgrund von eigenen Ressourcen hat sich der Klient entschieden, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Daraufhin wurde ihm über das GMAC und das ERRIN-Projekt Re-Start Your Future in Iraq eine Arbeit in einem Handyladen vermittelt, wo er Handys verkauft. Er macht diese Arbeit sehr gerne und möchte sie auch weiterhin ausüben. Der Klient berichtete auch, dass das SI-Coaching ihm viel geholfen habe, da er hier den Kundenumgang erlernt habe. Er freut sich, dieses Wissen nun aktiv nutzen zu können um seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten.
Dynamischer Rückkehrprozess
Anhand der geschilderten Fallbeispiele zeigt sich, wie dynamisch der Rückkehrprozess oftmals ist und wie flexibel die Unterstützungsmöglichkeiten in den Herkunftsländern gestaltet werden müssen, um eine erfolgreiche Reintegration zu verwirklichen. Nicht vorhersehbare Entwicklungen in der persönlichen Einstellung oder der individuellen Situation können zu Planänderungen führen. Um jeden Rückkehrenden optimal unterstützen zu können, war ein breites Angebotsspektrum in den Herkunftsländern unbedingt notwendig. Eine gut eingespielte Zusammenarbeit zwischen Rückkehrberatenden, R(k)VM-Trägern, Reintegrationsscouts und GIZ-Migrationsberatungszentren verfolgte das Ziel, unseren Klient:innen eine nachhaltige Reintegration in den Herkunftsländern zu ermöglichen.
Informationen zu den Angeboten des Folgevorhabens "Zentren für Migration und Entwicklung" sind auf der Website www.startfinder.de zu finden.
(Autorin: Sarah Reinhard)