USA - Kanada - Namibia?
Schon als Kind war ich immer unterwegs. Mein Spielplatz war der Hamburger Hafen. Ich wollte immer raus und weg. Nach der Schule habe ich eine Lehre als Verkäuferin gemacht. Aber das Fernweh blieb. Dann habe ich eine Schulfreundin wieder getroffen. Sie fragte mich: Willst Du mit nach Amerika? Als Kindermädchen? Ich sagte sofort: Ich komme mit! Das war 1962.
Sie gab mir dann den Tipp, mich vom Raphaelswerk beraten zu lassen. Dort hat man sogar eine Familie in New Jersey für mich gefunden. Meinen Eltern habe ich nichts erzählt, erst als ich die 800 D-Mark für die Überfahrt gespart hatte. Und dann sind wir bei Nacht und Nebel losgefahren, mit der "Bremen", 10 Tage lang nur Sturm. Ich war so seekrank!
Die erste Zeit in den USA war schwer. Die Familie hatte acht Kinder! Das hatten sie aber vorher nicht gesagt. Nach drei Monaten habe ich gekündigt und mir über eine Agentur eine Familie in New York gesucht. Deutsche Kindermädchen waren beliebt und ich habe ganz gut verdient. Später habe ich eine andere Familie in Beverly Hills gefunden. Im Winter blühten die Orangen und wir haben im Pool gebadet. Das war eine herrliche Zeit. Ich bin durch die Zeit in den USA viel freier geworden, habe gelernt, auf andere zuzugehen. Aber nach fast drei Jahren habe ich dann doch Deutschland vermisst. Das Kleine, Gemütliche. Meine Familie. Als Nanny hatte ich Geld gespart. Damit konnte ich die Überfahrt zurück bezahlen.
Ich habe zuerst wieder bei meiner Mutter gewohnt, mich mit Aushilfsjobs durchgeschlagen. Dann habe ich einen Schreibmaschinen-Kurs gemacht und 25 Jahre in derselben Firma gearbeitet. Zwischendurch war ich auch mal sieben Jahre verheiratet, Kinder haben wir leider keine bekommen. Das hätte mich bestimmt sesshafter gemacht. Doch so hat wieder die Abenteuerlust gesiegt.
Mit 49 Jahren habe ich gekündigt und gedacht: Wenn Du schon arbeitslos bist, kannst Du auch ins Ausland gehen. Im Abendblatt stand eine Anzeige: Haushaltsstütze gesucht, Kanada, nähe Vancouver. Vier Monate später saß ich im Flugzeug, den Vertrag in der Tasche. Meine kleine Bude hatte ich abgeschlossen. Den Schlüssel hatten die Nachbarn. Ich bin ein bescheidener Mensch, ich brauche nicht viel. Ich wohne schon lange wieder in meiner kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Hamburg, das Bett ist im Schrank, ausklappbar. Aber ich will immer noch wissen, was hinter der nächsten Ecke kommt. Vielleicht ja Namibia. Dort suchen sie deutsche Kinderfrauen. Und ich bin doch noch fit!
Ich habe mich vom Raphaelswerk beraten lassen. Wieder mal. Mit Glück lebe ich ja bald als Oma-Nanny auf einer Farm. Diese freie Gefühl. Das liebe ich.